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Interview mit Ralf Busch: "Es sind tiefe Gräben entstanden"


Bundesliga
"Es sind tiefe Gräben entstanden"

Von t-online
01.11.2011Lesedauer: 4 Min.
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Das Interview führte Sebastian Schlichting

Rund um Fußballspiele in Deutschland kommt es zurzeit immer wieder zu Gewaltexzessen, Teile der Fanszene stehen im Kreuzfeuer der Kritik. Bestens vertraut mit der Materie ist Ralf Busch, seit 1997 Leiter des Fan-Projekts Berlin. Zudem war er viele Jahre lang Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Fan-Projekte. Im Interview mit t-online.de spricht der 49-Jährige über die aktuellen Vorfälle, Veränderungen in den Fanblöcken und die geforderte Selbstreinigung der Ultra-Szene.

t-online.de: Herr Busch, die Bilanz des vergangenen Wochenendes: Stuttgarter Fans haben einen Bus mit Dortmunder Anhängern angegriffen, Dortmunder sind später auf Bremer Fans losgegangen. Zudem gab es in Uerdingen, Magdeburg und Berlin Vorfälle in unteren Ligen. Hat der deutsche Fußball ein handfestes Gewaltproblem?
Ralf Busch: Das klingt sehr dramatisch. Gefühlt mehren sich zurzeit die Vorfälle, das ist richtig. Aber da muss man immer genau hinschauen und differenzieren.

Inwiefern?
Sehr bedenklich finde ich zum Beispiel, wenn Vermummte auf einer Autobahnraststätte andere Fans angreifen und den Bus dann sogar noch mit Autos verfolgen, so wie es jetzt im Fall der Stuttgarter passiert sein soll. Diese Aktionen, wo es oft drum geht, an gegnerische Fanutensilien zu kommen, nehmen zu. Aber es wird immer gern alles in einen Topf geworfen und den Ultras angelastet.

Wie stellt sich die Situation aus Ihrer Sicht da?
Auch bei den Ultras gibt es welche, die Gewalt an sich spannend finden und für die sie dazugehört. Dann gibt es welche, die durch den hohen Druck seitens der Vereine oder der Polizei irgendwann sagen: 'Es reicht. Wir radikalisieren uns.' Aber bei weitem nicht alle Ultras sind gewalttätig. Und die Zunahme von Pyrotechnik im Stadion hat natürlich viel mit dem gescheiterten Dialog mit DFB und DFL zu tun…

…bei dem es um eine Legalisierung von Pyrotechnik im Stadion ging.
Die Fans sagen, wir haben die Bedingungen erfüllt und an den ersten Spieltagen in der 1. und 2. Liga darauf verzichtet. Die andere Seite sieht das anders. Ich finde es fatal, wie der Dialog von DFB und DFL beendet wurde. Da wird der Eindruck erweckt als hätten Helmut Spahn (der damalige DFB-Sicherheitschef, d. Red) und Thomas Schneider (Leiter der Fankoordinationsstelle der DFL) als Privatpersonen mit den Ultras geplaudert und irgendwelche Deals gemacht. Dabei waren sie in offizieller Funktion an den Gesprächen beteiligt. Erst wurde so getan als ob es eine Option zur Legalisierung gäbe. Dann wurde das Ganze plötzlich beendet. Da wurde auf der Ebene der Gesprächskultur viel kaputt gemacht. Es sind tiefe Gräben entstanden.

Was sind die Folgen?
Ich habe die Befürchtung, dass die Ultras in Zukunft sagen: 'Warum sollen wir uns an Gesprächen beteiligen? Das hat doch beim Thema Pyrotechnik auch schon nichts gebracht.'

Der Fanforscher Gunter A. Pilz sprach kürzlich in einem Interview von einem "Krieg wegen der Pyros".
Mit solchen Begriffen wäre ich vorsichtig. Aber es besteht die Gefahr, dass sich das Thema immer mehr hochschaukelt. Nach dem Motto 'Jetzt zündeln wir erst recht.' Zum Teil gibt es ja schon sehr extreme Aktionen, wenn zum Beispiel Bengalos in gegnerische Blöcke oder auf die Polizei geworfen werden.

In Magdeburg haben Hooligans den Mannschafskapitän zu Hause aufgesucht und bedroht.
Das ist ebenfalls weit jenseits jeglicher Grenzen. Dresdner Fans haben ja auch vor einigen Jahren symbolisch Gräber für die Spieler ausgehoben. Ich bin ein großer Fan schwarzen Humors, aber das hat nichts mehr mit Humor zu tun. Da maßen sich Fans Dinge an, die einfach nicht zu tolerieren sind.

Nach den Vorfällen in Dortmund im DFB-Pokal hieß es, dass sich bis zu 4500 Dresdner daran beteiligt hätten. Haben Sie auch den Eindruck, dass mehr Fans als früher bei Ausschreitungen involviert sind?
Die Masse ist diffuser geworden. Das Feindbild Polizei und Ordner gibt es inzwischen auch öfter bei Fans, die nicht den Ultras nah stehen. Manchmal sind diese Fans mittlerweile Auslöser dafür, dass die Situation kippt. Das hätte ich noch vor einiger Zeit nicht erwartet.

Macht das die Situation noch schwieriger?
Ja, weil große anonyme Massen viel schwerer zu beeinflussen sind. Wir als Fanprojekt hatten über Jahre die Ultras im Fokus, kannten sie oft namentlich, standen mit ihnen im Dialog. Aber je indifferenter die Masse, desto schwerer wird das.

Eintracht Frankfurts Vorstandsvorsitzender Heribert Bruchhagen hat vorgeschlagen, Ultras die Dauerkarten zu entziehen. DFL- und BVB-Präsident Reinhard Rauball denkt über einen Ausschluss von Gäste-Fans nach. Wie stehen Sie dazu?
Das sind populistische Äußerungen und blinder Aktionismus. Für mich ist das eher ein Zeichen von Hilflosigkeit, jetzt mit der ganz harten Hand zu kommen. Solche Maßnahmen würden die Probleme nicht lösen, sondern den Fußball kaputtmachen. Wir dürfen den Fußball nicht zu Tode sichern. Nehmen Sie doch mal das Beispiel Griechenland. Da sind Gäste-Fans bei manchen Spielen ausgeschlossen. Und, gibt es in Griechenland keine Gewalt? Im Gegenteil. Ich glaube nicht, dass wir mit solchen Maßnahmen zu einer Entschärfung der Situation beitragen.

Was würde Ihrer Meinung nach helfen?
Wir alle können das Rad nicht neu erfinden. Es gibt kein Patentrezept. Auch wenn es mühsam ist: Der Dialog muss weitergeführt werden. Wobei das im Kleinen, auf der Ebene zwischen Vereinen und Fans, vielversprechender ist als im Großen, also zwischen dem DFB als Gesamtverband und den Fans.

Das Stichwort Selbstreinigung macht in Bezug auf die Ultra-Szene zurzeit die Runde. Kann es die geben?
Das wird immer als Zauberwort benutzt. Aber was heißt das konkret? Dass bestimmte Mitglieder ausgegrenzt werden sollen. Jeder, der sich mit Gruppendynamik auskennt, weiß, dass Gruppen immer mehr zusammenrücken und sich abgrenzen, wenn der Druck von außen zunimmt. Entweder zusammenrücken oder zerschlagen werden, ist die Denkweise. Dann würde die Situation noch verfahrener werden.

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